COVID-19 – Chance für mehr Gleichstellung in Führungspositionen?

Das Thema Gleichstellung ist in den meisten Unternehmen im deutschsprachigen Raum leider noch immer sehr unterrepräsentiert. In meiner Beratungstätigkeit bei Deloitte sind mir Unternehmen begegnet mit unterschiedlichstem Reifegrad zum Thema Gleichstellung. Von Unternehmen bei denen Gleichstellung Teil der Agenda und Strategie inklusive Maßnahmenpaket mit Kinderbetreuung und Job Sharing ist, bis zu Unternehmen, welche keine Frau einstellen wollten, weil sie nur eine Toilette haben und das dann ja „viel zu umständlich“ wäre.

Einige Gründe, weshalb Gleichstellung immer noch ein so schwieriges Thema ist, haben sich während Corona wie unter einem Brennglas noch stärker gezeigt und beweisen die Wichtigkeit jetzt zu Handeln. So hat sich der Unterschied für unbezahlte Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen während der Pandemie laut Analysen von UN Women von sechs Stunden pro Woche auf acht Stunden vermehrt und es wird häufig von einer Retraditionalisierung in Bezug auf die geschlechtsspezifischen Rollen gesprochen. Eine Studie von PwC Strategy zur Messung des „Women in Work Index“ aus dem letzten Jahr besagt, dass die Situation von berufstätigen Frauen auf das Niveau von 2017 abfallen wird und somit die Fortschritte der letzten Jahre zunichte gemacht werden. Deloitte fand in einer Studie heraus, dass sich Covid auf die Karriere von Frauen 7-mal negativer auswirkt als auf die von männlichen Kollegen.

Doch COVID-19 hatte nicht nur die Schwierigkeiten verstärkt zu Tage gebracht, sondern auch ein Fundament für ein Umdenken von Arbeit und Führung gelegt.

Veränderung der Rahmenbedingungen

Für viele Themen, die bereits seit Jahren zur Gleichstellung gefordert und viel in Unternehmen diskutiert wurden, hat Corona eine unglaubliche Beschleunigung zur Folge gehabt. Die Sensibilität in Bezug auf flexible Arbeitszeitmodelle, Home-Office, Videokommunikation und Vereinbarkeit von Arbeit und Familie hat sich enorm erhöht und gezeigt, dass diese Themen ohne große Nachteile für den wirtschaftlichen Erfolg umgesetzt werden können. Folgen daraus sind bereits spürbar in der Neujustierung von Arbeitsorganisationen in hybriden Arbeitsmodellen, weniger Geschäftsreisen, Veränderungen der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung im Haushalt und einer verstärkt überregionaler Personalsuche, die den Trend des Remote Working weiter verstärkt. Diese Veränderungen bieten die Rahmenbedingungen Führung neu zu denken und potenziell mehr mit Gleichstellung in Einklang zu bringen.

Veränderung der Führungsrolle

Fast 80% der HR-Verantwortlichen sind darüber hinaus überzeugt davon, dass Führung nach Corona anders aussehen wird als zuvor. Eine Kurzstudie des Fraunhofer Instituts in Kooperation mit der DGFP nennt als Hauptherausforderung das Management von Beziehungen in hybriden Arbeitsmodellen. Mitarbeiter*innen wünschen sich Führungskräfte als Veränderungs- und Entwicklungsbegleiter*innen, in Zeiten schneller Umbrüche und Unsicherheit. Die Ergebnisse der Deloitte Weltfrauentag Umfrage zeigen, dass sich 41% der Mitarbeiter*innen mehr Unterstützungsangebote im Bereich mentaler Gesundheit wünschen. Dies wird von weiblichen Führungskräften doppelt so oft wiedergegeben und gesehen als von männlichen Führungskräften. All das stellt Kompetenzen wie Kommunikation, Vertrauen und Empathie in den Vordergrund und wir bewegen uns weg von einem Führungsbild, dass nach vermeintlich männlichen Kompetenzen und Attributen, wie Dominanz und Durchsetzungsstärke, ausgerichtet war, hin zu bisher unüblichen Formen von Führung. Darin verbirgt sich eine Chance der Attraktivierung von Führungsarbeit, insbesondere für Frauen.

Ansatzpunkte für einen Schritt in Richtung Gleichstellung

Die Veränderungen der Rahmenbedingungen und Verschiebungen der klassischen Führungsrolle sind Entwicklungen, die es nun zu nutzen gilt, um dem Ziel der Gleichstellung ein Stück näher zu kommen. Einige Ansatzpunkte, die wir bereits bei unserer Kund*innen bemerken, möchten wir gerne teilen:

  • Fokus auf die benötigten Kompetenzen der neuen Führungsaufgaben in regelmäßigen, kompetenzbasierten Feedbacks als Basis für anonymisierten Dashboards zu Karriereentscheidungen.
  • Transparente Kommunikation von Leistungen und Erfolgen, sowie teilen von weiblichen Role-Models in Führungspositionen für mehr Sichtbarkeit im Unternehmen.
  • Orts- und zeitunabhängiges Management von Zielen, Herausforderungen und Absprachen auf Team- und Mitarbeiter*innen-Ebene in digitalen Tools für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
  • Einsparungen bei Bürokosten für flexible Kinderbetreuungsangebote, Koch-Boxen oder Familien-Company-Bikes nutzen.

Quellen